unBOLIVIAble Part I: Sucre & Potosi

Nach einem seichten Start in die südamerikanische Kultur in Argentinien, sollte nun das Abenteuer für uns so richtig losgehen. Bolivien stand auf dem Programm, einen ganzen Monat sollte uns dieses Land der Superlative was natürliche Schönheit, Tradition und Diversität angeht, in seinen Bann ziehen. Wir sprechen häufig metaphorisch von Abenteuern in Bezug auf unsere Reise, dieses Mal ist es wörtlich gemeint. Von den schneebedeckten Bergen der Anden, über Salzwüsten, bis in die Tiefebenen des Amazonasbeckens lag vor uns eine Zeit voller unbeschreiblicher Naturgewalten und Adrenalintrips, die wir so schnell nicht vergessen werden. Dazu zeugt Bolivien von einer kulturellen Authentizität wie wir sie seit Myanmar nicht mehr erlebt haben. Etwa 55% der Bevölkerung gehören den indigenen Völkern an, die nach einigen Jahrzehnten der Unterdrückung mittlerweile zu einem festen Bestandteil der kulturellen Identität des Landes geworden sind. Dies macht sich nicht nur anhand der Kleidung bemerkbar.


Seit 2006 verfügt Bolivien als erstes Land sogar über einen Staatspräsidenten mit indigenen Wurzeln; Evo Morales, ein ehemaliger Coca-Bauer verhalf dem Land zu einer gewissen politischen Stabilität nachdem bis dato die durchschnittliche Amtszeit eines Präsidenten bei ca. 2 Jahren lag. Während er innenpolitisch durchaus achtbare Erfolge erzielen konnte, fiel er international eher durch seltsame Behauptungen wie z.B. das Hähnchen und Pommes Frites aufgrund von Hormon- und Genbehandlungen homosexuell machen und zur Glatzenbildung führen. Klingt ja auch irgendwie logisch.
In diesem Land, welches die dreifache Größe von Deutschland hat, in dem jedoch nur 10,5 Millionen Menschen leben, gab es also viel für uns zu entdecken, genug um gleich drei Blogposts zu schreiben. Dieser ist nun der Erste, welcher unsere Zeit im Süden des Landes dokumentiert, unsere Reise nach Sucre und Potosi.

Angekommen in der semi-schönen Grenzstadt Villazon buchten wir direkt die nächstmögliche Fahrt nach Sucre. Leider handelte es sich dabei um eine Übernachtfahrt im lokalen Bus welcher morgens um 5Uhr am Karfreitag in Sucre ankommen sollte. Dieser Bus hatte leider nichts mit den komfortablen Reisebussen Argentiniens zu tun, dafür kostete uns die zehnstündige Fahrt aber auch nur umgerechnet 6€. Da wir wenig Lust hatten uns morgens um 5Uhr auf die Suche nach einem Hostel zu machen, reservierten wir online ein Doppelzimmer im Celtic Cross. Dieses nagelneue Hostel im herrschaftlichen Kolonialgebäude erwies sich als absoluter Glückgriff und da es erst vor wenigen Wochen eröffnet hatte, wurden die Zimmer zum Spotpreis von 5€ p.P. angeboten. Mir kam zudem zu Gute, dass zum ersten Mal seit Australien die Amtssprache im Hostel wieder Englisch war. Wir fühlten uns pudelwohl.


Sucre, welches nach wie vor die konstitutionelle Hauptstadt des Landes ist auch wenn jegliches politische Geschehen sich in La Paz abspielt, ist eine wahre Perle. Nicht umsonst wird sie als schönste Stadt Boliviens in vielen Reiseführern beschrieben. Von Bergen umgeben, erhebt sich die weiße Kolonialstadt inmitten des Tales, verziert durch die Türme der zahlreichen Kirchen und Kathedralen.


Da Bolivien ein sehr christliches Land ist, erhofften wir uns an der ein oder anderen Osterzeremonie teilenehmen zu können, in Salta (ARG) waren wir auf den Geschmack gekommen. Besonders am Karfreitag fanden einige Straßenzüge statt in denen ein riesiges Kreuz symbolisch zu Grabe getragen wird. Leider verpassten wir jede einzelne dieser Veranstaltungen. Hinzu kommt noch, dass unser Hostel eine gewisse opportunistische Veranlagung zu haben schien. Trotz der Tatsache das Karfreitag war, fand ein riesiges Barbecue im Innenhof stand mit reichlich gegrilltem Fleisch und jeder Menge Bier. Ich denke selbst in Deutschland gäbe es genug Leute die sich über ein solch frevelhaftes Treiben aufregen würden. Ich brauche also nicht weiter zu vertiefen wie sich die Nachbarn in einem streng christlichen Land gefühlt haben mussten als der süße Duft von gegrilltem Fleisch in der Luft lag. Ehrlich gesagt war es auch für mich das erste Mal, dass ich keinerlei Fisch am Karfreitag gegessen habe – man muss halt auch mal neues ausprobieren.


Insgesamt kann man unsere Zeit hier als eher entspannt beschreiben. Neben ein wenig Seightseeing in einem nicht wirklich erwähnenswerten Museum und einem bolivianischen Friedhof sowie ein paar Stadtspaziergängen haben wir nicht wirklich viel unternommen. Zusammen mit zwei Niederländern und einem Schweizer kochten wir ca. drei Stunden vor uns hin nachdem wir uns vorher auf dem Markt die nötigen Zutaten besorgt hatten (und von dem ein oder anderen Fruchtsaft genascht haben). Das ist deshalb so erwähnenswert weil es erstens extrem lecker war und zweitens das erste Mal seit Australien war, dass wir uns aktiv innerhalb einer Küche betätigten. Es sollte auch das letzte Mal in Bolivien sein, bei Mahlzeiten für unter einem Euro ist kochen nicht wirklich eine Alternative.



Im Anschluss an das Dinner ging es für uns eine Runde feiern. Es wurde uns alles geboten was man von einem bolivianischen Nachtclub erwartet: Günstige Getränke, grauenhafte Musik, Frauen in verschwindend-kurzen Kleidern und ein Haufen völlig betrunkener Backpacker. Lustig war es trotzdem irgendwie. Da wir für den nachfolgenden Abend bereits unser Busticket nach Potosi gebucht hatten, überlegten wir uns dass wir die Zeit vorher ja sinnvoll nutzen könnten. Daher beschlossen wir uns noch eine eintägige Trekkingtour zu buchen um das Umland ein wenig zu erkunden. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass wir diese Entscheidung bitter bereuten als am nächsten Morgen der Wecker klingelte. Schön war es trotzdem. Neben tollen Landschaften besuchten wir außerdem eine archäologische Ausgrabungsstätte für Dinosaurierspuren, welche die größte ihrer Art darstellt. Spätestens dort war für mich die Katerstimmung dann vorüber.



Unsere zweite Station in Bolivien war Potosi. Nach nur 4 Stunden Busfahrt konnten wir das erste Mal Erfahrung mit der bolivianischen Höhenlandschaft machen. Potosi liegt auf 4000m über dem Meeresspiegel, und das merkt man bei jedem kleinen Spaziergang sowie jedem Treppenaufstieg. Auch die ersten Nächte schliefen wir etwas unruhiger als sonst. Des Weiteren waren wir kleidungstechnisch nicht wirklich auf die milden Temperaturen vorbereitet, daher deckten wir uns erstmal mit reichlich Alpaka Wolle ein. Diese ist hier im Gegensatz zu Deutschland nämlich mehr als erschwinglich. Wir legten uns direkt die Vollausstattung zu, bestehend aus Pullover, Schal, Handschuhen und Mütze.





Die Stadt galt als ´El Dorado´ des Silberbergbaus was ihr einst zu großem Reichtum verhalf. Auch heute ist der Bergbau im ‚Cerro Rico‘ noch immer der wichtigste Wirtschaftszweig für die ca. 180.000 Einwohner. Allerdings sind die pompösen Zeiten längst vorbei, ein Mienenarbeiter bezeichnete den täglichen Gang Untertage als Lotterie. Nur noch wenige Menschen werden reich durch die dortige Arbeit. Die einhergehenden negativen Randerscheinungen sind jedoch fatal, ein durchschnittlicher Arbeiter wird 55 Jahre alt hauptsächlich aufgrund von toxischen Stoffen denen er ausgesetzt ist. Berüchtigt sind nach wie vor die Arbeitsbedingungen in den Minen, die sich auf einem niedrigen Technologie- und Sicherheitsniveau befinden und nicht selten zu schweren Unfällen führen, statistisch gesehen sterben zwei Menschen pro Monat bei Einstürzen. Nur die wenigsten Arbeiter besitzen eine Gasmaske oder sonst irgendeine Art von Schutzkleidung. Mittlerweile ist eben dieser Silberbergbau, neben den stattlichen Kolonialgebäuden, zu einer Haupttourismus Attraktion geworden. Für ca. 10€ pro Person bekommt man auf einer halbtägigen Tour einen Einblick in den Alltag und die Gefahren eines bolivianischen Minenarbeiters. Bei dieser Tour handelt es sich nicht um eine Museumstour wie man sie vielleicht aus dem Ruhrgebiet kennt, es ist eine aktive Miene in der nach wie vor auf Hochtouren gearbeitet wird.


Bevor man zu den eigentlichen Mienen fährt, macht man einen kurzen Stopp auf dem Markt für Mienenarbeiter wo Gastgeschenke gekauft werden. Man hat die Auswahl zwischen Coca Blättern, Alkohol und Dynamitstangen. Eine sehr intelligente Kombination wie wir fanden. Wir entschieden uns für Coca (welches in seiner pflanzlichen Form übrigens in vielen südamerikanischen Ländern nicht illegal ist und auch als Tee überall angeboten wird) und eine kleine Stange Dynamit. Wie man sich vielleicht vorstellen kann, war es ein seltsames Gefühl Sprengstoff einfach so am Straßenrand zu kaufen – andere Länder, andere Sitten.


Der eigentliche Besuch der Miene kann ohne Frage als eine der intensivsten und einprägsamsten Erfahrungen dieser Reise bezeichnet werden. Angekommen auf dem 4500m hohen Berg folgten wir den Schienen auf dem die ca. zwei Tonnen schweren Güterloren mit reiner Manneskraft geschoben wurden bis zum Eingang der Miene, einem 1,8m hohen dunklen Loch. Auch drinnen wurde es nicht viel einladender, die Gänge wurden immer kleiner und schmaler, es gab abgesehen von unseren Taschenlampen keinerlei Licht und ein beißender Staubschleier begleitete uns tiefer und tiefer in die Miene. Die beklemmende Stille wurde nur von den Geräuschen der Güterloren, Gestein zerschmetternden Werkzeugen und unregelmäßig stattfindenden Explosionen unterbrochen. Wir kletterten noch zwei weitere Ebenen hinunter um uns mit ein paar ehemaligen Kollegen unseres Tour Guides zu treffen und ihnen die Gastgeschenke zu überreichen. Was wir dort erfuhren, wirkte sich nicht gerade positiv auf unsere Nervosität aus.



Alle ca. 15.000 Minenarbeiter, arbeiten auf selbstständiger Basis und sind abgesehen von einer Gewerkschaft relativ unorganisiert. Jeder entscheidet für sich selbst wo im Berg er nach Rohstoffen sucht und er darf behalten was er findet, ca. 20€ bekommt man für ein Kilogramm Silber mit 80% Reinheit. Im Umkehrschluss führt diese Art des Abbaus aber auch dazu, dass niemand einen Überblick darüber hat wo sich überall Stollen befinden und inwieweit die Stabilität davon beeinträchtigt ist. Immerhin werden seit über 500 Jahren Minenarbeiten in dem Berg durchgeführt. Jeder der Arbeiter ist sich bewusst, dass sie auf einer tickenden Zeitbombe sitzen. Ich brauche nicht zu betonen, wie froh wir waren als wir nach zwei Stunden wieder das Tageslicht zu Gesicht bekamen.

Vor einigen Jahren war das Thema ‚Blut Diamanten‘ sehr publik in den Medien, dass die Zustände beim Abbau von Silber und anderen Edelmetallen nicht viel besser sind, war mir jedoch nicht bewusst. Eine dieser unbequemen Wahrheiten über die wir sicherlich nachdenken werden, wenn wir demnächst in Deutschland mal wieder beim Juwelier stehen.

1 Kommentare:

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