Colombia es pasion

Nach fast zwei Monaten in den kühlen Anden-Regionen Südamerikas, hatten wir nur noch eine Sache im Kopf; wir wollen an den Strand, ins Warme! Da bot es sich doch sehr an, dass das nächste Land auf unserer Route Kolumbien sein sollte. Eigentlich wollten wir ja noch ein bisschen mehr von Peru sehen und Ecuador bereisen, aber die Sehnsucht nach karibischen Temperaturen und (vor Allem) der kleiner werdende Geldbeutel warfen unsere Pläne um. Von Cusco ging es also direkt nach Kolumbien, genauer gesagt nach Cartagena in den Norden. Es gibt wahrscheinlich wenige Länder die mit so vielen positiven als auch und vor allem negativen Vorurteilen zu kämpfen haben. Ein Guide brachte es auf den Punkt als er die ca. 25-köpfige junge Truppe während einer Free Walking Tour in Medellin fragte, wie viele Eltern denn gerade froh wären, dass sich ihre Kinder in Kolumbien befinden. Das Ergebnis ist wenig überraschend ausgefallen, zu blutig ist die Geschichte. Umso überraschter sind die meisten wenn wir Ihnen von unseren Eindrücken erzählen, die ein sehr buntes und lebensfrohes Kolumbien beschreiben, welches seine traurige Vergangenheit überwunden zu haben scheint.


Nun aber mal der Reihe nach. Wie bereits erwähnt, verschleppte uns das Verlangen nach Wärme an die Karibikküste und die sollten wir auch bekommen. Cartagena hat alle Rekorde was das Hitzeempfinden auf dieser Reise angeht, gebrochen. In der wohl schönsten und am besten erhaltenen Kolonialstadt Südamerikas fühlt man sich wie in einem Backofen. Abgesehen von einigen wenigen Museen und sonstigen Sehenswürdigkeiten, die aufgrund der Öffnungszeiten tagsüber besichtigt werden müssen, fokussierten wir unseren Tagesablauf auf die Zeit nach Sonnenuntergang. Die Tage verbrachten wir weitestgehend in Hängematten was zugegebener Maßen auch nicht verkehrt ist. Es ist schwer die Schönheit der Stadt in Worte zu fassen, weil man sie nicht an einigen wenigen Plätzen oder Straßenzügen festmachen kann. Die gesamte Altstadt wirkt wie ein riesiges (und nicht klimatisiertes) Museum mit unzähligen bunten Kolonialbauten. Die perfekte Kombination aus architektonischer Schönheit, Sauberkeit, karibischem Flair und Sicherheit (Cartagena gilt als sicherste Stadt Kolumbiens) hat sich mittlerweile rumgesprochen, deshalb boomt der Tourismus gerade – besonders im hochpreisigen Segment. Die Stadt ist voller gut betuchter Amerikaner, Argentinier und Chilenen. Das Preisniveau ist dementsprechend hoch, ein Restaurantbesuch innerhalb des Altstadtringes kam daher für uns nicht in Frage. Bevor ich 20€ für einen Teller Pasta ausgebe, koch ich doch lieber selbst.






An dieser Stelle räume ich nun mit einem weiteren Vorurteil gegenüber Kolumbien auf, die Lebenshaltungskosten sind nicht billig! Lebensmittel sind sogar wesentlich teurer als in Deutschland (nicht das dass ein Maßstab wäre), man könnte fast von australischen Verhältnissen sprechen. Unser Reiseführer hat uns dreist ins Gesicht gelogen als er behauptete, dass Kolumbien zusammen mit Bolivien und Ecuador zu den günstigsten Ländern in Südamerika gehören. Frechheit. Wir konzentrierten uns beim Einkaufen von nun an auf preiswerte lokale Fruchtspezialitäten.


Nach ein paar Tagen zog es uns weiter in Richtung Osten, die Küstenstraße entlang bis nach Santa Marta. Da trotz der geografischen Nähe zum karibischen Meer die Postkartenmotive bis dato auf sich warten ließen, zogen wir ins Dreamers Hostel ein. Dieses hatte weit über die kolumbianischen Landesgrenzen hinaus Bekanntheit erlangt, eine wahre Oase in der wir einige Tage verweilten und in Hängematten lagen. Wenn ich das nun hier so reflektiere, haben wir gefühlt 50% unserer Zeit in Hängematten verbracht, eine hat es sogar als Souvenir im Rucksack bis nach Deutschland geschafft. In diesem Hostel lernten wir zwei Berliner kennen mit denen wir am Folgetag spontan in den Tayrona Nationalpark fuhren um dort endlich in den Genuss karibischer Strände zu kommen. Zumindest haben wir sie gesehen, denn Zeit zum Genießen hatten wir aufgrund schlechten Zeitmanagements und langer Wanderwege nämlich dort nicht. Recht ansehnlich war es trotzdem.




Während die anderen sich wieder in Richtung Santa Marta aufmachten, zog es uns weiter nach Palomino in ein weiteres Hostel aus dem Hause Dreamers. Dieses war tatsächlich noch schöner! Perfekt eingebettet zwischen türkis-blauem Wasser, mit Kokospalmen bestückten endlosen Sandstränden und den eisbedeckten Berggipfeln der Sierra Nevada (dem höchsten Küstengebirge der Welt), glaubten wir endlich im Paradies angekommen zu sein.



Nach viel zu kurzen zwei Tagen machten wir uns allerdings schon wieder auf in Richtung Cartagena. Dort hatten wir uns mit den Berlinern und drei uns bis dato unbekannten Personen, von denen zwei sich gerade auf Hochzeits-Weltreise befinden, verabredet um ein dekadentes Wochenende in einer privat-gemieteten Strandvilla auf Baru zu verbringen. Ich glaube ich muss nicht erwähnen wie GEIL das war! Ich könnte seitenweise über diese zwei Tage schreiben; wie schön die Playa Blanca ist und wie viel schöner es ist dieses Idyll mit treibend-melodischen Electro-Sounds zu beschallen, aber ich verkneife es mir. Ich lasse einfach die Bilder sprechen:












Auch die schönste Zeit ist ja bekanntlich irgendwann vorbei, so mussten wir uns also überlegen was wir die verbleibenden 8-9 Tage noch so machen wollten. Abgesehen von der Karibikküste und Cartagena hatten wir noch nicht so viel gesehen, und in Kolumbien gibt es noch einiges zu entdecken. Da Inlandsflüge nur marginal teurer als Busfahrten sind, dafür aber wesentlich komfortabler, setzten wir uns in die nächste Maschine nach Medellin. Einer Stadt von der wohl jeder schon einmal gehört hat. Sie erlangte in den 1980er Jahren unrühmliche Bekanntheit als der Heimatort von Pablo Escobar und dem Medellin-Kartell, einer weltweit führenden Drogenorganisation. Heute steht sie exemplarisch für den Wandel in Kolumbien. Wo früher paramilitärische Milizen ihren urbanen Straßenkampf führten, stehen heute repräsentative Denkmäler und Bibliotheken. Die Region gehört heute zu den wichtigsten Industriegüter-Produktionsstätten Südamerikas und hat sich darüber hinaus als StartUp-Hub und Technologiestandort etabliert. Das Stadtbild wirkt modern und die Menschen sind überaus freundlich und interessiert. Auch wenn man häufig fälschlicherweise für einen Gringo, also einen Amerikaner gehalten wird. Auch die anderen Gerüchte über Kolumbien bzw. Medellin sind absolut wahr, die Dichte an hübschen Frauen ist weltweit unübertroffen! Überall Glorias (in Anlehnung an Modern Family)! Verspiegelte Sonnenbrillen helfen. Natürlich schlossen wir uns auch wieder einer geliebten Free Walking Tour an um mehr über Geschichte und Kultur zu erfahren. Außerdem konnte ich endlich meine Sehnsucht nach Döner stillen, acht Monate nachdem wir Deutschland verlassen hatten, kamen wir in den Genuss von Drehfleisch im Fladenbrot welches qualitativ sehr nah an das türkisch-deutsche Original dran kommt.



Die Stadt war für uns eine der größten Überraschungen der Reise, da wir komplett andere Vorstellungen hatten. Ich hasse es wenn Leute unbegründete Vorurteile gegenüber Ländern und Städten haben, welche sie noch nicht einmal aus der Nähe gesehen haben geschweige denn besucht haben, aber dieses Mal waren wir selber nicht viel anders. Wir sagten uns stets, „Na gut, wenn was geklaut wird oder wir überfallen werden, dann wird uns das wohl hier passieren“. Völliger Blödsinn. Natürlich muss man wie in jeder großen Stadt ein wenig auf sein Hab und Gut achten, aber zu keiner Tages- oder Nachtzeit muss man sich hier bedroht fühlen. Wie bereits gesagt, die Stadt strotzt nur so von Freundlichkeit, besonders weil die Fussball WM so kurz vor der Tür stand und Kolumbien zum ersten Mal seit 16 Jahren wieder teilnehmen konnte. Man könnte die Stimmung im Land mit der aus Deutschland 2006 vergleichen, an jeder Ecke gab es Trikots, Fahnen oder sonstige Fanutensilien zu erwerben und schon Tage vorher waren 50% der Bevölkerung komplett in Gelb gekleidet.


Apropos WM. Es bedurfte einer organisatorischen Meisterleistung unser Reiseprogramm auf den Spielplan abzustimmen. Da wir ja an der Karibik ein wenig rumtrödelten, hatten wir nur noch wenig Zeit um Salento und Bogota zu erkunden, unser Weiterflug nach San Francisco stand schließlich schon kurz bevor. So machten wir uns auf in die berühmte Kaffeeanbau Region nach Salento um dort das erste Spiel Kolumbiens beim Public-Viewing zu sehen und einen der wohl besten Kaffees die ich je getrunken habe auf einer kleinen Farm inmitten von satt-grünen Gebirgen zu verzehren. Sonst verbrachten wir die meiste Zeit damit in dem kleinen Bergdorf die engen, malerischen Gassen hoch und runter zu schlendern und sehr viel Fußball zu schauen.








Unser letzter Stop war Bogota, die Hauptstadt Kolumbiens. Von dieser gibt es meiner Meinung nach außer der großen Anzahl an Street Art  und den schönen Regierungsgebäuden nicht wirklich viel zu berichten. Unser Hostel war zwar an Gemütlichkeit kaum zu übertreffen, der Rest der Stadt wirkte aber eher schmutzig und uncharmant, kein Vergleich mit Medellin. Glücklicherweise trafen wir noch mehr Deutsche in unserem Vorort, sodass wir uns gemeinsam um 10 Uhr auf einem Montagmorgen aufmachen konnten um eine Bar zu finden, die das erste Spiel unserer deutschen Nationalmannschaft auf ihrem Weg zum Weltmeistertitel zeigte. Dies erwies sich als schwerer als erwartet, so dass wir erst kurz vor Anpfiff einen Platz fanden. Nach einem tollen Spiel und einem 4:0 Erfolg über Portugal liefen wir mit breit geschwollener Brust und leicht angetrunken durch Bogota und ließen uns von den Einwohnern beglückwünschen. So sehen Sieger aus.



Die Trikots erwarben wir übrigens in Peru bzw. in Medellin zu erstaunlich günstigen Preisen zwischen 4-7€. In Medellin bildete sich direkt eine freundlich gesinnte 30-Mann-Traube um uns herum und machte eifrig Fotos von uns als wir versuchten am Straßenrand Deutschland Trikots zu kaufen. Durch ständige Anfeuerungsrufe und kolumbianische Gesänge war unsere Grundlage für Preisverhandlungen irgendwie nicht so gut, witzig war es trotzdem. Dies ist zugleich auch die letzte Anekdote aus Kolumbien bzw. Südamerika. Über einen kleinen Zwischenstopp in den USA geht unsere Reise so langsam aber sicher wieder in Richtung Heimat.

Adios Colombia, Adios América del Sur!

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